Es ist schon so warm, obwohl es doch erst Februar ist, dass bereits die ersten Blättchen der Zitronenmelisse aus dem Boden lugen, der Rosmarin sich seines Lebens freut und auch so manch anderer Lippenblütler erste Lebenszeichen von sich gibt.
Zeit also, sich einmal mit der Überlebenskraft dieser Pflanzengruppe zu beschäftigen…
Die Zitronenmelisse mit ihrem wohlschmeckenden Blattwerk dient ja nicht nur zum Verfeinern von Speisen, sie schenkt uns auch ein hochwirksames ätherisches Öl und ein – meiner Meinung nach sogar noch besser einsetzbares Hydrolat.
Schauen wir uns einmal den Steckbrief der Melissa officinalis L. an:
Lippenblütler (Familie Lamiaceae), ursprüngliche Herkunft Orient, später auch aus der Mittelmeerregion, Wuchshöhe zwischen 30 – 80 cm, kurze Bodenausläufer (das bedeutet, dass man sie im Kräuterbeet gut im Zaum halten muss, weil sie sich über diese Ausläufer gerne rasch vermehrt), ausdauernd. Ihre Blättchen haben einen würzig-zitronigen Duft. Blüten: weiß bis bläulich-weiß. Blütezeit zwischen Juli und August. Sehr wärmebedürftig (und darum umso erstaunlicher, dass die Blättchen bereits jetzt aus dem Boden herausklettern).
Das Kraut der Melisse enthält vor allem Rosmarinsäure (ein Labiatengerbstoff), aber auch Kaffeesäure und Chlorogensäure, ätherisches Öl (leider sehr wenig!), Bitterstoffe, Schleimstoffe, Glykoside, Saponine und Vitamin C.
Das ätherische Öl der Melisse schwankt in seiner Zusammensetzung – abhängig von Witterung und Erntezeitpunkt, aber auch von der jeweiligen Bodenqualität. Die durchschnittlichen Werte zu den Inhaltsstoffen sind: 40 – 70 % Citral (das ist ein „Gemisch“ aus Geranial und Neral, chemisch ein Aldehyd), ca. 1 – 20 % Citronellal (Aldehyd), ca. 5 – 15 % β-Caryophyllen (Sesquiterpen), Linalool, Geraniol (beides Monoterpenole), Thymol u.a.m.
Das Melissen-Hydrolat enthält Aldehyde, Ketone und sollte einen pH-Wert zwischen 4,8 – 5,22 aufweisen.
Schon bei Pedanios Dioskurides (40-80 n.Chr.) wird die Pflanze erwähnt: „Melissophyllon“ („Bienenblatt„) nennt er sie und beschreibt sie als gutes Mittel zur Förderung der Menstruation. Empfohlen wird sie hier als Zusatz zum Sitzbad. Außerdem wurde der Melissentee als Mundspülwasser bei Zahnschmerzen verwendet. Auch Melissensaft mit Honig vermischt verwendete man damals bereits.
Im Mittelalter war sie als „Herzenströster“ bekannt, im „Hortus sanitatis“ („Gart der Gesundheit„) aus dem Jahr 1485 wurde sie besonders als „Frauenmittel“ hervorgehoben.
Auch heute noch hat die Melisse einen guten Ruf als Hilfe bei starken Gefühlsschwankungen und Alpträumen. Die nervenberuhigende Wirkung des ätherischen Öls ist wissenschaftlich anerkannt, besonders bei Menschen, die unter Stress und Schlaflosigkeit leiden, finden in der Melisse eine wertvolle Hilfe und Unterstützung.
Ich habe wohl selten ein so hilfreiches Hydrolat in Händen gehalten, wie das Melissen-Hydrolat. Man benötigt unglaubliche Mengen der Zitronenmelisse, um zumindest 1 ml ätherischen Öls zu erhalten. Aber es reicht auch schon eine kleine Menge an Pflanzenmaterial, wenn wir selbst destillieren, um das Hydrolat zu erhalten.
Wieviel Melisse man benötigt, damit sich das Ergebnis für die ätherisch-Öl-Produktion wirklich lohnt, haben meine KursteilnehmerInnen und ich bereits mehrmals miterleben können: eine der wenigen Destillen im mitteleuropäischen Raum ist in Rottal in Bayern zu Hause. Hier werden kleine, feine Chargen ätherischen Öls von heimischen Pflanzen gewonnen. Unter anderem auch Melisse, die zwei- oder mehrmals im Jahr geerntet werden kann. Je nach vorangegangener Witterung enthält das Öl (und damit natürlich auch das Hydrolat) etwas unterschiedliche Wirkstoffe, allen ist aber eine tolle Pflegewirksamkeit gemeinsam. Melisse sollte sofort nach der Ernte verarbeitet werden.
Unser Hydrolat eignet sich wohl am besten zur Behandlung von Lippenherpes-Bläschen (Herpes labiales), wie ich aus meiner eigenen Familie zu berichten weiß: mein Schwager leidet immer wieder unter Fieberblasen-Attacken, die er normalerweise mit schwerem Medikamenten-Geschütz zu bekämpfen versuchte. Nun – eines Tages war es wieder einmal so weit, aber keine Salbe oder Creme, die von Nutzen sein konnte, war in Sicht. „Hast was für mich?“ war seine Frage an meine Nichte Uschi. Und die – eine ausgebildete ärztlich geprüfte Aromatologin – drückte ihm ein Fläschchen Melissenhydrolat in die Hand mit der Anweisung, das Pflanzenwasser mehrmals täglich aufzutupfen. „Geh, und das soll helfen?“ „Ja, wirst es ja sehen…“ Und – es half! Seither verwendet er nichts anderes mehr gegen seine Fieberblasen…
Wo kann man das Melissenhydrolat aber noch anwenden: grundsätzlich ist es hervorragend für die Gesichtspflege geeignet. Es kann bei Augenbindehautentzündung helfen, beim wunden Baby-Po, bei müden schweren Beinen, es ist geeignet zur Heuschnupfenprophylaxe, macht der Schwangerschaftsübelkeit rasch ein Ende, hilft gegen Unruhe, kann bei ADHS eingesetzt werden, reduziert aber z.B. auch Streß.
Als Hilfe bei empfindlicher, trockener, gestreßter und entzündeter Haut kann es gute Dienste leisten (Gesichtswasser z.B.).
Ich verwende es gerne auch als Badezusatz für mein Entspannungsbad. Es wirkt jedenfalls sehr beruhigend (also bitte abends einsetzen!). Besonders gerne mag ich es, seit ich in der Menopause bin, weil es wirklich harmonisierend wirkt. Hier könnte man es auch sogar – bitte in verdünnter Form – als eine Art „Schlummertropfen“ zu sich nehmen. Eingenommen kann es auch entzündliche Darmerkrankungen und Magenkrämpfe lindern. Aber bitte: machen Sie das nur nach Rücksprache mit Ihrem Arzt!
Sie wollen mehr über den Rosmarin, das Bohnenkraut, den Ysop und andere Lippenblütler lernen? In unseren Kursen erfahren Sie alles Wissenswerte darüber! Aber lesen Sie bitte auch meine Artikel über den Thymian oder jenen über den Rosmarin und seine Chemotypen hier auf dem Blog…